Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Mindestlohn-Ausnahme für Langzeitarbeitslose diskriminierend

Der Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde kommt ab 2015. Von der Einführung werden zunächst rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland direkt profitieren. Langzeitarbeitslosen wird das Recht auf eine bessere Bezahlung jedoch verwehrt. Für sie gelten Ausnahmen, die „zu neuen Stigmatisierungen führen“, so die Initiative pro Arbeit.

Veröffentlicht am 13. Mai 2014

Der Mindestlohn kommt – mehr oder weniger ab 2015 für die meisten Beschäftigten. Er beträgt 8,50 Euro brutto die Stunde. Abweichungen sind zwar noch in einzelnen Branchen bis Ende 2016 möglich. Aber dann sollen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn haben, so die Bundesregierung. Wirklich alle? Nein, denn es gibt Ausnahmen. Manche davon erscheinen sinnvoll. So haben etwa Jugendliche unter 18 Jahren keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie sich gegen eine schlechter vergütete Ausbildung entscheiden. Andere Ausnahmen machen jedoch wenig Sinn. So gilt der Mindestlohn nicht für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung.

Mindestlohn-Ausnahmen mit vielen Nachteilen verbunden

Für Ines Nößler von der Initiative pro Arbeit führt die Ausnahmeregelung „zu neuen Stigmatisierungen“ von Langzeitarbeitslosen. Die Bundesagentur für Arbeit sieht in der Regelung hingegen eine Chance. Durch die Frist werde für Langzeitarbeitslose die Hürde gesenkt, wieder in Beschäftigung zu kommen. Experten fragen sich jedoch, wie lange die Betroffenen angestellt bleiben. „Langzeitarbeitslose sind faktisch der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert, wenn ihnen bis zum Beginn des gesetzlichen Kündigungsschutzes sechs Monate lang der Mindestlohn vorenthalten wird und sie anschließend durch den nächsten Langzeitarbeitslosen billig ersetzt werden“, fürchtet etwa ver.di. So fordert auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, dass der Mindestlohn ohne Ausnahmen aufgrund des Alters oder der sozialen Lage eingeführt wird.

 

„Der Mindestlohn ist eine gute Nachricht für Menschen, die hart arbeiten, aber davon nicht leben können. Vom Mindestlohn profitieren alle Beschäftigten in allen Branchen, in Ost und West.“

Andrea Nahles (SPD), Bundesarbeitsministerin

Erschwert Mindestlohn Langzeitarbeitslosen dauerhafte Beschäftigung?

Sicher scheint: Mit dem Mindestlohn wird es für Langzeitarbeitslose nicht einfacher, dauerhaft in Beschäftigung zu kommen. Die Initiative pro Arbeit setzt sich nicht nur aus diesem Grund besonders für die Lage der Betroffenen ein. Arbeitslose werden immer weiter aus der Gesellschaft ausgegrenzt, je länger sie ohne Arbeit sind. Die Initiative des evangelischen Fachverbands für Arbeit und soziale Integration (EFAS) unterstützt daher unterschiedliche Ansätze, Langzeitarbeitslosen zu helfen. Eine Idee – der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) – sieht vor, Hartz-4-Leistungen in einen Lohnkostenzuschuss umzuwandeln. So wird die Arbeit, nicht die Arbeitslosigkeit finanziert.

Langzeitarbeitslose müssen besser unterstützt werden

PAT „ermöglicht Menschen, die ausgegrenzt sind, Teilhabe an den gesellschaftlichen Entwicklungen und wirtschaftlichen Prozessen“, betont Ines Nößler gegenüber finanzen.de. Die Initiative pro Arbeit geht davon aus, dass es mittelfristig bundesweit Ansätze geben wird, die Idee umzusetzen. Nicht zuletzt verlässt sich die Organisation dabei auf die Bundesarbeitsministerin, die das Problem vieler Langzeitarbeitsloser – fehlende Anerkennung und Verlust des sozialen Netzwerks – erkannt hat. „Die Wahrheit ist, dass wir einen geförderten sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose, die am regulären Arbeitsmarkt nicht mithalten können, brauchen“, so Nahles. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Bundesarbeitsministerium weitere Schritte in die Wege leitet, um den Arbeitsmarkt entsprechend zu verändern.