Interview mit Jameda Dr. Florian Weiß sieht für Ärzte und Patienten große Vorteile der Videosprechstunde
- Spürbare Beschleunigung der Telemedizin
- Effizienzsteigerung der Praxisprozesse und Patientenakquise
- Die Telemedizin wird 2025 fester Bestandteil in der Arzt-Patienten-Beziehung werden
Entstehung, Entwicklung und Ausblick
Mit der Zulassung der Fernbehandlung 2018 wurde der Grundstein für Videosprechstunden in Deutschland gelegt. Was waren die größten Schwierigkeiten und was sind derzeit die größten Hindernisse der Videosprechstunde?
Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert gesehen haben und weiterhin sehen, ist dass zehntausende Ärzte und Millionen von Patienten den Umgang mit Telemedizin, insbesondere mit Videosprechstunden, zunächst einmal lernen mussten und zum Teil auch noch lernen müssen. Wir von jameda arbeiten intensiv daran, indem wir Ärzte persönlich, auf Veranstaltungen und in Webinaren den Umgang mit der Videosprechstunden sowie deren Chancen vorstellen. Zudem geht es darum, vollständige digitale Versorgungspfade zu etablieren.
Was fehlt, um eine Behandlung vollständig remote durchzuführen?
(e-Rezept, e-Krankschreibung, Apps auf Rezept, andere)
Eine Behandlung vollständig remote durchzuführen, ist bereits heute in vielen Fällen problemlos möglich.
Eine weitere Verbesserung der remote-Behandlung erlaubt Ärzten in naher Zukunft die Möglichkeit, ein e-Rezept und eine e-AUB ausstellen zu können. In dieses Feld gehört natürlich auch die elektronische Patientenakte, also der einfache Austausch von relevanten Diagnosen, Befunden und Medikationsplänen zwischen Arzt und Patient.
Sind Sie auch in weiteren Ländern aktiv? Wenn ja, welches Land ist Ihrer Meinung nach Vorreiter und warum?
jameda ist auf dem deutschen Markt aktiv.
Welche Partner haben Sie bei der Einführung von Videosprechstunden unterstützt? (Versicherer, Ärzte, Politik, andere)
Wir sind stets in Austausch mit Ärzten und Ärztekammern sowie kassenärztlichen Vereinigungen. Dieser Austausch mit Ärzten liefert uns sehr wertvollen Input, um unsere Produkte immer weiter zu optimieren. Dafür sind wir sehr dankbar. Zudem führen wir Gespräche mit PVS-Anbietern, um unsere Angebote weiter zu optimieren.
Sicherlich hat auch der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) sowie durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) einen entscheidenden Beitrag geleistet, dass Videosprechstunden einen solchen Siegeszug in den letzten sechs Monaten in Deutschland erleben.
Diese Gesetze, die eine bessere Vergütung für Ärzte, weniger Bürokratie und die Einführung neuer digitaler Gesundheitsservices ermöglichen, ebnen den Weg von Videosprechstunden in die Arztpraxen.
Unter welchen Voraussetzungen werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen?
Für gesetzlich versicherte Patienten kann die Videosprechstunde kostenfrei angeboten werden.
Die ehemals geltenden Einschränkungen sind aufgrund der Corona-Pandemie aufgehoben. Ärzte und Psychotherapeuten können unbegrenzt viele Videosprechstunden mit gesetzlich versicherten Patienten durchführen und abrechnen. Das heißt für Patienten: Sie können eine Videosprechstunde ohne Einschränkungen genauso in Anspruch nehmen wie eine Sprechstunde in der Praxis.
Die meisten privaten Krankenkassen übernehmen auch die Kosten für Videosprechstunden analog zu den Sprechstunden in der Praxis. Nach der Videosprechstunde erhalten privat versicherte Patienten vom Arzt eine Privatrechnung nach GOÄ, die bei der Privaten Krankenversicherung eingereicht werden kann. Im Einzelfall sollte der Patient sich aber vorab noch einmal bei seiner privaten Krankenkasse informieren.
Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung in Deutschland ein und wo werden wir 2025 stehen?
Die Telemedizin wird 2025 fester Bestandteil in der Arzt-Patienten-Beziehung werden und somit dem New Normal angehören. Videosprechstunden werden sich dauerhaft als veritable zweite Behandlungsalternative durchsetzen.
Technik
Welche technischen Voraussetzungen müssen Ärzte und Patienten zur Wahrnehmung der Videosprechstunde mitbringen?
Alles, was Arzt und Patient brauchen, sind ein Smartphone oder Laptop/PC, eine Webcam und Internet. Für die Videosprechstunde müssen Nutzer nichts installieren, denn die Videosprechstunde läuft direkt im Browser (Google Chrome, Mozilla Firefox, Safari oder Opera). Beim Einloggen zum Termin in der Videosprechstunde unterstützt die jameda Software den Nutzer bei der Einstellung von Kamera und Mikrofon.
Wie viele Ärzte haben Sie in Ihrem Netzwerk?
Unser Netzwerk weist rund 70.000 registrierte Ärzte auf. In diesem Netzwerk haben wir einen stark wachsenden Anteil an Videosprechstunden-Nutzern.
Soll das System noch ausgebaut werden und wenn ja, wie?
jameda wird an einem vollständig digitalen Versorgungspfad weiterarbeiten, der den Austausch zwischen Arzt und Patient vor, während und nach der Behandlung auf digitalem Wege vereinfacht. Unsere Unternehmensvision lautet: „Jeder Mensch erhält die beste medizinische Versorgung“. Als größtes Arzt-Patienten-Portal Deutschlands sehen wir unseren Beitrag darin Ärzten wie Patienten die digitale Interaktion maximal zu vereinfachen und so den Kontakt miteinander zu verbessern.
Zahlen und Fakten
Seit wann besteht die jameda GmbH bzw. seit wann sind Sie auf dem deutschen Markt aktiv?
- jameda wurde Anfang 2007 gegründet und ist seitdem auf dem deutschen Markt aktiv.
- Seit Anfang 2015 können Patienten Arzttermine auf jameda buchen.
- Seit Mitte 2019 bieten wir die jameda Videosprechstunden an.
Wie haben sich Ihre Nutzerzahlen seitdem entwickelt?
Jeden Monat suchen über 6 Mio. Patienten auf jameda nach einem Arzt, buchen ihre Arzttermine oder führen ihre Videosprechstunden über unsere Plattform. Die Zahlen steigen kontinuierlich. Damit sind wir der wichtigste Mittler zwischen Arzt und Patient.
Wie zufrieden sind die Nutzer?
Als größtes Arzt-Patienten-Portal bieten wir Patienten einen einfachen Online-Zugang zum Termin bei dem für die individuellen Bedürfnisse passenden Arzt. Nirgendwo sonst finden Patienten mehr online-buchbare Arzttermine, die sie sowohl vor Ort als auch als Videosprechstunde wahrnehmen können. Gleichzeitig helfen bei der Wahl des Arztes mehr als 2,5 Mio. Erfahrungsberichte von Patienten sowie weitere tlw. sehr ausführliche Informationen über die Ärzte. Dieses ganzheitliche Angebot vereinfacht Patienten den Weg zum Arzt enorm. Das wissen die Nutzer natürlich zu schätzen.
Welches Feedback bekommen Sie von den angeschlossenen Ärzten?
Auch Ärzte erkennen die großen Vorteile, die digitale Angebote wie die jameda Online-Terminvergabe oder Online-Videosprechstunde in Verbindung mit einem reichweitenstarken Portal wie jameda bringen – z. B. im Hinblick auf die Effizienzsteigerung der Praxisprozesse sowie hinsichtlich der Patientenakquise.
Welche Krankheiten werden am meisten über Videosprechstunden behandelt?
Die Videosprechstunde ist bei verschiedenen Erkrankungen vom grippalen Infekt über Übelkeit bis hin zu Hautproblemen ein wertvolles Hilfsmittel, um sich den Rat eines Arztes zu holen.
Dr. Florian Weiß sieht für Ärzte und Patienten große Vorteile der Videosprechstunde
- Erstbehandlung mit Diagnoseerstellung: In vielen Fällen (z. B. bei einer Erkältung) kann im Rahmen einer Videosprechstunde eine Diagnosestellung erfolgen. Auch beim Begutachten von Hauterkrankungen ist eine Videosprechstunde hilfreich.
- Nachsorge: Patienten, die im Laufe einer Behandlung bereits in der Arztpraxis waren, können mit ihrem Arzt via Videosprechstunde die Nachsorge festlegen. Besprechungen von Untersuchungswerten und die Klärung von Rückfragen können bequem im persönlichen Online-Gespräch erledigt werden. Zum Beispiel können Patienten ihre Wunde vom Zahnarzt via Videosprechstunde kontrollieren lassen, oder mit diesem Eingriffe vorab besprechen, was uns zum nächsten Punkt bringt: der OP-Beratung.
- OP-Beratung: Ärzte können Patienten bundesweit beraten und per Videosprechstunde über Kosten, Behandlungsverlauf und andere wichtige Faktoren aufklären, die bei der Entscheidung für eine Operation eine Rolle spielen.
- Zweitmeinung: Oft wünschen Patienten eine zweite Meinung zu einer bevorstehenden Behandlung oder Operation. Mithilfe der Videosprechstunde können Ärzte Patienten bundesweit beraten und ihnen gegebenenfalls eine alternative Behandlung empfehlen.
- Beratung zu Gesundheitsthemen: Ärzte können ihre Patienten zu Themen wie Ernährung Sport und Fitness beraten.
- Besprechung von Heil- und Kostenplänen: Auch Heil- und Kostenpläne sowie der Behandlungsverlauf können über Videosprechstunden einfach geklärt werden.
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Dr. Florian Weiß
Geschäftsführer & CEO Jameda
Dr. Florian Weiß leitete in seiner letzten Position die Unternehmensentwicklung der Tomorrow Focus AG. Zuvor arbeitete er als Berater bei der Boston Consulting Group (BCG) sowie als freier Berater unter anderem für verschiedene junge Internetunternehmen in Berlin.
Florian Weiß promovierte am Lehrstuhl Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler der RWTH Aachen und studierte Betriebswirtschaftslehre und Publizistik an der Handelshochschule Leipzig sowie der Freien Universität Berlin.